Sehr geehrte Damen und Herren des Vorstandes, liebe Mitgliedsvereine,
die Diskussion rund die Transplantation reißt nicht ab und es erscheinen jetzt täglich Pressemitteilungen, Rundmails und andere zielgerichtete Veröffentlichungen die m.E. am Ende der Nierentransplantation insgesamt eher schaden könnten. In populistischer Art wird das Thema Nierentransplantation öffentlich durch die Presse und die Öffentlichkeit gezogen - dies wollten wir vermeiden aber der Zug rollt und wir müssen sehen wie wir trotzdem das Ganze politisch klug abfedern können. Wie wir jetzt erfahren haben sind die Zahlen zur Lebendnierentransplantation auch auf ein historisches Tief gefallen und mit 459 für 2017 genauso stark gesunken wie die postmortale Transplantation in Deutschland – um 30%. Ganz ohne Wechselwirkung zu gesetzlichen Lösungen aber mit exakt dem gleich schlechtem Ergebnis – an der gesetzlichen Lösung liegt es damit nachweislich grade nicht.
Gleichzeitig sind die Entnahmezahlen von Organen für 2018 erneut eingebrochen und das Ergebnis 2018 wird kaum besser sein als 2017. Wir vermuten, dass alle Beteiligten sehr unter der öffentlichen Diskussion leiden und sich von Transplantationen lieber fern halten. Dies spiegelt sich auch in der aktuellen Warteliste wider, denn es sind keine 10% der Dialysepatienten in Deutschland mehr zur TX gemeldet.
Im Winter 2017 haben wir in einer gemeinsamen Pressekonferenz – zusammen mit den Lebertransplantierten Deutschlands e.V. und dem BDO e.V. - die Verbesserung der Organisation eingefordert und entsprechende Vorschläge gemacht. Die Aufnahme der Ziele im Bereich der Transplantation in den Koalitionsvertrag der großen Koalition in Berlin hat sich dann als sehr hilfreich erwiesen und die Aufdeckung der gravierenden Mängel durch die wissenschaftliche Arbeit von Prof. Dr. Feldkamp u. a. waren sehr, sehr hilfreich.
Nun gibt es einen Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit der alle Forderungen beinhaltet. Die diesbezügliche Anhörung war sehr gut und demnächst geht das Gesetzeswerk in die parlamentarische Beratung und wird im zeitigen Frühjahr hoffentlich in Kraft gesetzt. Bis dahin gilt es Daumen drücken und keine Unruhe schaffen, die das Werk gefährden könnte. Das neue Gesetz ist bereits positiv durch das Bundeskabinett und wir denken, dass wir auch im Bundestag und im Bundesrat dieses äußerst wichtige Vorhaben einigermaßen durchbekommen. Damit sind deutlich steigende Organentnahmen zu erwarten und wir denken, das wird sich spätestens 2022 zeigen. Solange wird es aber wahrscheinlich dauern bis die neuen Maßnahmen greifen, die Strukturen und Prozesse geändert sind und gut laufen.
Die Diskussion um die sogenannte Widerspruchslösung ist nicht so eindeutig beurteilbar. Im Bundestag gibt es derzeit drei konträre Anträge in dieser Angelegenheit und die Ansichten gehen kreuz und quer durch die Parteien. U.E. wird MdB Jens Spahn die Sache wohl schneller durchziehen wollen und eine kurzfristige Abstimmung herbeiführen, damit er den Rücken frei hat für seine anderen politischen Anliegen. Das Ergebnis ist mindestens offen aber zurzeit tippe wir eher auf Scheitern. Grundsätzlich ist sowieso der von uns angestrebte Paradigmenwechsel von der „Angehörigenentscheidung hin zur Eigenentscheidung“ nicht im Vordergrund der jetzigen Initiative, sondern, mit der vorgeschlagenen sog. erweiterten Widerspruchslösung, entscheiden erneut am Ende nur die Angehörigen. Es bleibt beim bisherigen System, mit dem Kliniken gezwungen werden, die Angehörigen zu befragen und erst damit einen Beweis für ihr richtiges Handeln haben. Dies geschieht im Übrigen überall dort in Europa – auch dort wo es die Widerspruchslösung gibt - und hilft einfach nicht wirklich weiter. Wir werden also als Bundesvorstand, egal wie es weitergeht, dran bleiben müssen: Ohne elektronische Abspeicherung der letztwilligen, eigenen Verfügung, die bei Bedarf in der Intensivmedizin, zur Verfügung steht, ändert sich in dieser Angelegenheit nicht wirklich etwas.
Die Position unseres gemeinsamen Selbsthilfenetzwerkes BN e.V. ist in vielen Jahren gewachsen und spiegelt gut unsere Erfahrungen wider. Bei allen bisherigen gesetzlichen Lösungen zur Organspende wurde letztlich auf die Entscheidung der Angehörigen abgehoben. Dies ist auch in allen anderen europäischen Länder so – auch bei denen mit einer Widerspruchslösung – und sichert den Beweis für die Rechtmäßigkeit der Organentnahme. Wir möchten in dieser Sache einen Paradigmenwechsel und von der Angehörigenentscheidung zur Eigenentscheidung kommen. Ohne elektronische Abspeicherung des Organspendeausweises geht es nicht weiter – siehe auch unserer Karikatur - keine Brücke ohne Mittelteil.
Die eigene und persönliche Entscheidung sollte in elektronischer Form auf den Krankenkassenkarten technisch möglich sein und sollte am Ende in der Patientenkarte stehen. Mit einer persönlichen PIN kann sich dabei jeder in seine Datei einwählen und ständig eine eigene Meinung abgeben, die dann in der Intensivmedizin rechtsverbindlich vorliegt, etwas das es mit den derzeitigen Möglichkeiten - wie dem Organspendeausweis oder anderen Medien (z.B. Patientenverfügung) - einfach noch nicht vorliegt. Dies wäre für alle bereits vorhandenen gesetzlichen Lösungen (auch die der Widerspruchslösung) unbedingt erforderlich - ansonsten ändert sich in diesem Bereich überhaupt nichts. Die Krankenkassen sollten die Aufgabe der Ansprache ihrer Mitglieder in Sachen Organtransplantation weiter durchführen damit eine persönliche Entscheidung getroffen wird. Angehörige benötigen damit keine Psychosoziale Begleitung, sondern würden sich freuen den Willen des Verstorbenen im Nachhinein zu unterstützen.
Beispiel: Letztwillige eigene Verfügung zur Organspende jetzt
O ja O nein O weiß noch nicht
Bei einer Verabschiedung der Widerspruchslösung wird der notwendige Paradigmenwechsel erneut für Jahre verschoben, wir verlieren womöglich erneut viele Jahre und, wir möchten keinesfalls eine Verknüpfung des Paradigmenwechsels mit dem Gelingen oder dem Scheitern der Widerspruchslösung haben – weil dieser Paradigmenwechsel mit jeder gesetzlichen Lösung möglich ist.
Beispiel: Letztwillige eigene Verfügung bei der (mögl. künftigen) Widerspruchslösung (Unterschied)
O nein
Das heißt, wir könnten auch mit der Widerspruchslösung leben – wenn denn der juristisch streitfähige Beweis des Widerspruchs in der Entnahmeklinik direkt vorliegt. Ansonsten geschieht das, was in allen anderen Ländern in Europa zurzeit geschieht, die Kliniken befragen doch die Angehörigen und diese entscheiden dann verbindlich und dies kann wirklich dokumentiert werden. Im Grunde keine Änderung zum jetzigen Verfahren.
Register spielen wahrscheinlich keine Rolle da mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung (Zustimmung oder Widerspruch) im Register abgespeichert sein müssten und diese Entscheidung jederzeit und immer wieder geändert werden könnte – für ca. 40 Mio. Menschen in Deutschland sehr viel und bei der vergleichsweisen kleinen Patientengruppe. In Österreich und Holland versuchen sie es mit freiwilligen Registern die aber keinen Beweis liefern und deshalb halt doch die Angehörigenbefragung vorsehen müssen.
Der Vorstand macht derzeit in vielen Gremien des Gesundheitswesens seine schwierige Arbeit und hofft auf Verbesserungen insbesondere im Bereich der Transplantationen. Dies geschieht auf der Grundlage unserer jahrelangen Diskussionen und den Prozess der Nierentransplantation aufmerksam begleitende Gruppe Betroffener. Derzeit ist ein wenig Glück und Unterstützung gebraucht damit wir unser Ziel erreichen: Die Mitstreiter in unseren Reihen müssen alle Optionen der Nierenersatz-Behandlung ziehen können, wenn sie das, für sich so wollen: Nierentransplantationen-Hämodialyseverfahren oder Peritonealverfahren.
Das wollen wir mit klugem Wirken erreichen und dem gilt das ganze Streben unserer Gemeinschaft.
Mit bestem Gruß
Peter Gilmer
Vorsitzender BN e.V.
Vorsitzender Patientenstiftung Aktion Niere